5. Juli 2000

TIBET INFORMATION NETWORK

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Teil 1

Weltbankleitung unterstützt weiterhin das kontroverse Qinghai Umsiedlungsprogramm

Die Leitung der Weltbank empfahl dem Direktorenrat trotz der Ergebnisse des Berichtes der Untersuchungskommission, der die Vorgehensweise der Bank in fast jedem Punkt kritisiert, das kontroverse Qinghai Umsiedlungsprojekt unter dem "laufenden Projektplan" fortzusetzten. Die Weltbankdirektoren werden morgen unter der Leitung von Weltbankpräsident James Wolfensohn zusammentreten, um zu entscheiden, ob ein Konzept der Bankleitung zum Eingehen auf diese Kritik gebilligt werden soll. Die Kritik richtet sich besonders gegen die mangelnde Zurverfügungstellung von Information durch die Bank, ihre Nichteinhaltung ihrer eigenen Richtlinien über einheimische Bevölkerung und die Unzulänglichkeit ihrer ökologischen und sozialen Einschätzungen. Die Bankleitung mit dem Präsidenten an der Spitze schlägt vor, daß solange kein Geld für die Verwirklichung des Projektes ausgegeben werden soll, bis weitere Studien über die ökologische Seite, die soziale Struktur, die Dokumentation und bessere Information von der Bank als zufriedenstellend akzeptiert werden - ein Prozeß, der schätzungsweise 12 bis 15 Monate in Anspruch nehmen wird und über $2 Mio. Kosten verursachen wird.

Die britische Regierung, deren Einfluß bei der Entscheidungsfällung als groß gilt, hat noch nicht erklärt, was ihre Stellung bei der morgigen Sitzung sein wird, obwohl eine heutige Aussage der Ministerin für Internationale Entwicklung Clare Short im Unterhaus das Projekt zu unterstützen scheint. Die US Regierung deutete an, daß sie gegen das Projekt ist. Mehrere Länder in dem aus 25 Mitgliedern bestehenden Weltbankrat haben privat ernste Bedenken wegen der Probleme der kontroversen Komponente "C" des China Western Poverty Reduction Project (CWPRP), das die Umsiedlung von annähernd 58.000 hauptsächlich chinesischen Bauern in ein traditionell tibetisch und mongolisches Gebiet der Provinz Qinghai zum Inhalt hat, geäußert.

Die Antwort der Bankleitung auf den Bericht der Untersuchungskommission, eines aus drei Personen bestehenden und von dem Direktorenrat ernannten Expertenteams, ignoriert einige der von der Kommission aufgeworfene Schlüsselfragen. In einem durchgesickerten Begleitbrief zu der Antwort spielt Präsident James Wolfensohn die Bedeutung einer der Zentralfragen herunter, nämlich den Präzedenzfall, daß eine internationale Organisation die Umsiedlung von nicht-tibetischen und nicht-mongolischen Bauern in ein autonomes Minderheitengebiet finanziert - eine Politik, die Hand in Hand mit der Entwicklungs- und demographischen Umstrukturierungspolitik Chinas geht. In dem Brief, welcher die Antwort an die Untersuchungskommission darstellt, schreibt Wolfensohn: "Die Qinghai Komponente ist schließlich nur der $40 Mio. betreffende Teil eines $160 Mio. großen Kredits - also nur ein kleiner Teil des Projektes an sich und ein noch kleinerer Teil von Chinas allgemeinen Bemühungen zur Armutsbekämpfung" (21. Juni).

Einem Banksprecher zufolge sollen die Empfehlungen der Leitung "sicherstellen, daß das Projekt den höchsten Standard der Bank erfüllt", und stellen sie besten Anstrengungen der Bank dar, sich mit den Bedenken der Kommission auseinander zusetzen. Die Bankleitung gibt zu, daß während der Projektvorbereitung und Einschätzungsphase "bei der Anwendung der Sicherheitsklauseln mehr Exaktheit hätte walten sollen", aber dieses Eingeständnis wird im ganzen Dokument durch den Nebensatz, daß dies "angesichts der besonderen Umstände des Projektes geschah", gemildert. Nach dem Banksprecher beziehen sich diese "besonderen Umstände" auf die heiklen politischen Probleme, die von dem Projekt und der internationalen Anteilnahme an ihm aufgeworfen wurden. Damit könnten auch bei anderen, weniger populären Projekten Zweifel aufkommen hinsichtlich der Verpflichtung der Bank zu voller Transparenz und der Garantierung des von ihr zugesicherten "hohen Standards". Weltbankpräsident James Wolfensohn scheint die Bank von eben den Fragen distanzieren zu wollen, die vor einem Jahr zur Forderung nach der Prüfung des Projektes durch ein Expertenteam führten. In seinem Brief an den Rat vom 21. Juni bezieht sich Wolfensohn auf die "Debatte über tibetische Fragen", die "Emotionen und Besorgnis bei politischen und nichtpolitischen Gremien um die Welt hervorruft - bisher ruhte die Aufmerksamkeit fast ausschließlich auf den Tibetern in und um die sogenannte 'Einzugszone', obwohl es die mongolischen Viehhirten sind, die am unmittelbarsten betroffen werden". James Wolfensohn sagt, daß "die Bankleitung nicht in diese Debatte gezogen werden darf. Wir antworteten so vollständig wie wir konnten zu den Fragen wegen der Einhaltung der Regeln. Wenn der Rat andere Weisungen geben will, dann ist das seine Sache."

Der Präsident macht in seinen Kommentaren auf die unverhältnismäßig heftige internationale Kontroverse über die Qinghai Komponente des Projektes "angesichts der relativ kleineren Kreditsumme von $40 Mio. aufmerksam." Alleine im Juni 2000 billigte die Weltbank einen US$909 Mio. Kredit an China für vier Projekte, die Millionen von Menschen betreffen werden.

Teil 2

Die Weltbank und China: Interpretationen der Politik

In ihrem Bericht über die Qinghai Komponente wies die Untersuchungskommission auf zwei zentrale Punkte hin, die sich in Zukunft langfristig auf den Entscheidungsprozeß der Weltbank auswirken könnten. Sie äußerte Besorgnis über die Beziehung zwischen der Bank und China: Einige Bankangestellte hätten stereotyp gesagt: "In China werden die Dinge eben anders gehandhabt". Der Bericht des Expertenteams enthüllt auch, wie die Kontroverse über das in Aussicht genommene CWPRP größere Meinungsunterschiede innerhalb der Bank selbst hinsichtlich ihrer Politik und Verwirklichung ans Licht gebracht hat.

Die Weltbank scheint ihre Position zu rechtfertigen, daß weniger anspruchsvolle Einschätzungsmaßstäbe bei Projekten in China angelegt werden müssen angesichts dessen, was China bereits vorzuweisen hat und angesichts der "20 Jahre Weltbankerfahrung in China". In der Antwort der Bankleitung heißt es, daß "Chinas starke Vorgeschichte über Projektvorbereitung und Ausarbeitung, einschließlich Umsiedlung und der die Umwelt betreffenden Aspekte erlaube, daß wir oft weniger als bei einigen anderen Kreditnehmern ins Detail gehen müssen, um die gebotene Sorgfalt sicherzustellen". Er fügt hinzu, "angesichts der Brisanz und des hohen Interesses an dem Projekt wir anerkennen, daß von seiten der Bank mehr hätte getan werden müssen, um den Planungsprozeß zu dokumentieren". Dies heißt wohl, daß unter "normalen" Umständen gründliche Dokumentation nicht erforderlich wäre. Die Bankleitung sagt in ihrer Antwort nichts zu ihren häufigen Schwierigkeiten im Umgang mit der Regierung in Peking, die gewöhnlich jede Kritik als "Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten" verwirft. China warnte die US Regierung letztes Jahr, daß Opposition gegen die Qinghai Komponente des CWPRP als eine "Einmischung in Chinas interne Angelegenheiten und als eine Behinderung der nationalen Einheit in China" behandelt würde (Sprecherin des Chinesischen Außenministeriums Zhang Qiyue, Xinhua, 24. Juni 1998). Es kam heraus, daß die Diskussionen zwischen dem Chinesischen Außenministerium und der Weltbank vor der endgültigen Abfassung der Antwort schwierig und intensiv waren, wobei Peking bei Äußerung von Kritik oft eine feindselige und abwehrende Haltung an den Tag legte.

Die Untersuchungskommission bringt auch an einigen Stellen die Interpretation der Bankpolitiken und Verfahrensweisen zur Sprache. "Bei der Untersuchung von etwa 20 Projekten über die letzten 5 Jahre hinweg stieß die Kommission auf gewisse Differenzen unter den Weltbankvertretern darüber, wie die Bankgrundsätze und Verfahrensregeln angewandt werden sollen. In dem vorliegenden Fall (die Qinghai Komponente des CWPRP) ergaben die von der Kommission geführten Interviews eine ungewöhnlich große Bandbreite von divergierenden und oft gegensätzlichen Ansichten. Diese Differenzen sind auf allen Ebenen der Bankangestellten vorhanden, von der obersten Bankleitung bis zu Fachleuten in vorderster Front. Und sie beziehen sich auf praktisch alle wichtigen Entscheidungen. Die Kommission war beunruhigt über diese unterschiedlichen Ansichten bezüglich der Art und Weise, wie die Bankgrundsätze und Verfahrensregeln angewendet werden sollen. Eigentlich müßte dieser Tatbestand auch der Bank Anlaß zu Besorgnis geben, denn es ist äußerst zweifelhaft, ob die Grundsätze angesichts einer solchen Divergenz von Meinungen vernünftig und logisch zur Anwendung kommen."

Weltbankpräsident James Wolfensohn macht seine Stellung klar, wenn er warnt: "Ich möchte hier feststellen, daß diese Bemühungen, der Kritik des Expertenteams zu begegnen, uns zu einer buchstäblichen und mechanischen Interpretation der Durchführungsregeln und Direktiven treiben, was bei ihrer Konzipierung niemals die Absicht gewesen sein kann. Dies geschieht zu beträchtlichem Schaden sowohl für China als auch für die Bank."

Der Bericht des Expertenteams stellt fest, daß, während manche Leute der Ansicht sind, daß die Durchführungsdirektiven und andere Politiken der Bank "einfach idealisierte politische Feststellungen" sind, die als anzustrebende Ziele genommen werden sollten, andere ältere Bankmitarbeiter meinten, daß solch eine Interpretation die Bankpolitik praktisch bedeutungslos machen könnte und "gewiß nicht als Meilenstein genommen werden darf, an dem die Einhaltung der Grundsätze gemessen wird". Ein Weltbank Sprecher verteidigte die Position der Bank heute, als er sagte: "Wir hätten solch einen Grad an Offenheit niemals in der Vergangenheit gehabt, Themen wie dieses wären niemals auf diese Weise offen dargelegt worden. Wir sind einfach keine Institution, in der die Leute alle die gleichen Gedanken haben". Die Antwort der Bankleitung gibt zu, daß es über viele Fragen Differenzen zwischen der Leitung und der Kommission gibt.

Sowohl die Kommission als auch die Bankleitung sind der Ansicht, daß diese Sache weitere Auswirkungen auf die Bankaktivitäten im allgemeinen haben wird und auch Probleme hinsichtlich der zukünftigen Funktion der Untersuchungskommission aufwerfen wird. Die Bankleitung scheint die Rolle der Kommission herunterzuspielen, wenn sie feststellt, daß gemessen an der langen Arbeitserfahrung der Bank in China dies der erste Inspektionsbericht ist, der jemals durchgeführt wurde. Das Weltbankpersonal scheint sich durch die Ergebnisse des Inspektionsteams bedroht zu fühlen, denn einige inoffizielle Kommentare deuten an, daß es eine "Hexenjagd" als Folge der äußerst kritischen Schlußfolgerungen fürchtet.

Die Inspektionskommission schloß, daß die Bankleitung die folgenden sieben Direktiven und Richtlinien der Bank verletzte: Umwelt und Einschätzung (OD 4.01), Einheimische Volksgruppen (OD 4.20), Unfreiwillige Umsiedlung (OD 4.30), Natürliche Habitate (OP 4.04), Schädlingsbekämpfung (OP 4.09), Investitionskredit: Identifizierung und Vorlage vor den Weltbankrat (OP 10.00) und Bekanntgabe von Information (BP 17.50).

Teil 3

Bankleitung schlägt neue Einschätzungen vor

Die Bankleitung vertritt in ihrer Antwort die Ansicht, daß die Maßnahmen, die sie 1999 mit China abstimmte (Kosten rund US$1,5 Mio.) "viele der von der Inspektionskommission aufgeworfenen Probleme bereinigen werden", aber sie hat noch vor den Entschlüssen der morgigen Sitzung mit China vereinbart, daß die Gelder für das Projekt 12-15 Monate zurückgehalten werden, bis weitere Studien durchgeführt werden. Die von der Bankleitung vorgeschlagenen Maßnahmen sehen eine zusätzliche Studie über Umweltbeeinflussung (Supplemental Environmental Impact Assessment) und eine verbesserte soziale Planung vor. Einer dieser sozialen Pläne, der "Verbesserte Umsiedlungs-Aktionsplan" (Updated Resettlement Action Plan), der jene ins Auge faßt, die unfreiwillig umgesiedelt werden (im Gegensatz zu dem "Freiwilligen Umsiedlungsplan") besteht eher darin, "Informationen über Wirkungen, Kompensationsstandards und Linderungsmaßnahmen aus verschiedenen anderen Projektdokumenten zusammenzutragen", als neue Studien zu unternehmen.

Ein aus 4 internationalen Experten bestehendes Team für Umwelt und soziale Fragen, das auch der Bank akzeptabel ist, wird "von dem Kreditnehmer China ausgewählt und eingesetzt werden". Seine Funktion soll sein, die Umwelt und sozialen Studien zu überwachen und "beratende Unterstützung" bei der Durchführung und Überwachung der die Umwelt und die soziale Struktur betreffenden Aspekte des Projektes zu liefern. Die geschätzten Kosten für diese Studien und die Bildung des Expertenteams werden US$ 2.125.000 betragen.

Die Bankleitung schlägt vor, daß die vorbereitenden Schritte für das "Pilotprogramm", wie etwa infrastrukturelle Baumaßnahmen, die von China und nicht von der Bank finanziert werden, bereits während der Periode, in der die ökologische und soziale Arbeit unternommen und revidiert wird, eingeleitet werden", und meint, daß diese Studien dabei überholt werden. Und dies trotz einer Feststellung in der Antwort der Bankleitung, daß eine der Aufgaben dieses Teams die "Realisierung des Pilotprogramms ist, wobei die Resultate der ökologischen und sozialen Studien in das Projekt inkorporiert werden". Die Absicht, die Arbeit mit dem Pilotprogramm zu beginnen, ehe die Studien abgeschlossen sind, führte zu Kritik seitens der Projektgegner. Das Zentrum für Internationales Umweltrecht (CIEL), eine unabhängige NGO mit Sitz in Washington, stellt fest, daß "dieser Vorschlag die Integrität des Planes der Bankleitung untergräbt". Unabhängige Experten bestätigten unlängst, daß die Behörden in Qinghai bereits mit der Arbeit an dem Bewässerungsschema in der Projektzone anfingen und eine neue Straße in die "Einzugszone" des Projektes in Distrikt Dulan bauen.

Teil 4

Ein "Klima der Furcht" in Qinghai

Die Untersuchungskommission stellte fest, daß ihr Besuch in der Provinz Qinghai "einige beunruhigende und dramatische Beispiele von einem Klima der Furcht ergab, wobei es manche Personen trotzdem unter großem Risiko fertigbrachten, ihre Ablehnung des Projektes auszudrücken." Dieses Problem wurde von der Kommission im Zusammenhang mit den Konsultationsmethoden, die bei der Projektplanung verwendet wurden, aufgeworfen. Als die Kommission die "Einzugszone" besuchte, fand sie, daß viele Leute "eindeutig Angst hatten, über das Projekt zu sprechen", und daß "jene, die gegen das Projekt sind, sich regelrecht bedroht fühlten und baten, daß ihre Identität geheim gehalten wird". Die Antwort der Bankleitung auf den Bericht der Untersuchungskommission geht nicht genug auf die diesbezüglichen Sorgen der Kommission ein. Ein Weltbanksprecher kritisierte die Kommission sogar wegen ihrer "emotionalen Sprache" an einigen Stellen.

Ein Weltbanksprecher erwähnte TIN gegenüber heute, daß die Empfehlungen der Bankleitung einen Mechanismus vorsehen, um die Konsultationsmethoden gründlich zu prüfen. Obwohl es in der Antwort heißt, daß vertrauliche Interviews durchgeführt werden, wird auch die Unzulänglichkeit dieses Verfahrens zugegeben: "Wir möchten wiederholen, daß, während viel im Hinblick auf Vertraulichkeit getan werden kann, die praktischen Schwierigkeiten beträchtlich sind, nicht zuletzt weil der Kreditnehmer (China) ja diese Arbeit tut und nicht die Bank".

Die chinesische Regierung gestattet nationalen Minderheiten nicht, irgendwelche Meinungen auszudrücken, die in derartigen Belangen von internationalem Interesse von den offiziellen abweichen, weil dies "dem Mutterland abträglich" wäre. Die chinesischen Behörden warnten bereits, daß der Ausdruck von Mißbilligung des Projektes gleichbedeutend mit Bedrohung der "staatlichen Souveränität" Chinas sei. TIN hat dokumentierte Fälle von Tibetern, die festgehalten und gefoltert wurden, nachdem sie ihre Besorgnis über so heikle Themen wie Umweltschädigung, Ausbeutung der Ressourcen und Zuwanderung von Neusiedlern äußerten. Ein Tibeter, der in Qinghai wegen politischer Vergehen beinahe 5 Jahre eingesperrt war und der jetzt im Exil lebt, sagte TIN gegenüber: "Meine eigene Erfahrung in Tibet zeigt, wie gefährlich es für Tibeter in Tibet ist, ihre Opposition gegen solche politisch brisante Themen auszudrücken. Die Tibeter, die ihre Bedenken über das Weltbankprojekt zum Ausdruck bringen, sind wirklich tapfer. Mein größter Wunsch ist nun, daß sie geschützt werden und daß internationale Organisationen alles, was ihnen nur möglich ist, tun, um ihnen zu helfen." Die Antwort der Weltbankleitung erwähnt nichts von Vorkehrungen, um sicherzustellen, daß es keine nachteiligen Folgen für Tibeter gibt, die Kritik an dem Projekt äußerten. Noch gibt es irgendwelche Pläne für eine rigorose Kontrolle der Projektzone von außen und der betroffenen Leute; ein Banksprecher sagte nur, daß diese Aspekte von dem Umstand gedeckt würden, daß es sich um ein "internationales und unabhängiges" Expertenteam handle, welches die Studien über die ökologischen und sozialen Aspekte überwachen wird.

Teil 5

Verdrängung von Nomaden

Die Antwort der Bankleitung befaßt sich auch nicht mit den Problemen der Vertreibung von Nomaden in dem "Einzugsgebiet". Nach den Zahlen der Bank werden 289 Nomadenfamilien, die bisher regelmäßig durch die Projektzone wandern, mit einer Störung ihrer jährlichen Bewegungen rechnen müssen, obwohl die Leitung feststellt, daß es Passagen für Viehtrieb durch die Projektzone geben wird. Der Bericht der Untersuchungskommission kritisiert die für das Projekt in Aussicht genommene Kompensation, denn die Verluste der unfreiwillig Umgesiedelten würden nicht angemessen entschädigt. Die Bankleitung wiederholte, daß alle betroffenen Haushalte "freie Grundstücke für den Bau eines Hauses und ein kleines Startkapital" erhalten würden, und fügt hinzu, daß "das Ansässigwerden auch Zugang zu neuen und verbesserten staatlichen Leistungen wie Schulen und Kliniken gewähre und den Vorteil, auch aus anderen Aspekten des Programms Nutzen ziehen zu können". An anderer Stelle in der Antwort heißt es, daß "neue wirtschaftliche Möglichkeiten für diejenigen lokalen Mongolen und Tibeter geboten werden, die wählen, von den Projektwohltaten Gebrauch zu machen". Diese Art der Kompensation scheint jedoch nicht die Wünsche der Nomaden in Betracht zu ziehen, die ihren nomadischen Lebensstil beibehalten wollen, aber sie entspricht genau der auf Ansiedelung der Nomaden ausgerichteten Politik der Chinesen. 1998 sagte Qi Jingfa, Chinas Vize-Landwirtschaftsminister, daß alle Nomaden bis zum Ende des Jahrhunderts mit ihrem Nomadenleben Schluß machen sollten, und daß sich in der Provinz Qinghai bereits 67% der Nomaden niedergelassen hätten (Xinhua, März 1998).

Teil 6

Die Sitzung des Weltbankrates und die Antwort Großbritanniens

Wenn der Rat morgen beschließt, die Empfehlungen der Bankleitung bedingungslos anzunehmen, dann wird dies seine letzte Beteiligung an dem Entscheidungsprozeß bei diesem Projekt gewesen sein. Es ist jedoch auch möglich, daß der Rat dafür stimmen wird, mit dem Projekt fortzufahren unter der Bedingung, daß er noch einmal für eine neuerliche Überprüfung zusammentritt und die endgültige Entscheidung fällen wird, nachdem weitere ökologische und soziale Studien durchgeführt wurden. Wahrscheinlich ist, daß der Bankrat eher versuchen wird, einen Konsens zu erreichen, als über die Entscheidung abzustimmen.

Die US Regierung deutete an, daß sie gegen das Projekt sein wird, wenn es morgen in Washington debattiert wird, während die britische Regierung sagte, daß hinsichtlich ihrer Position zu dem Projekt noch kein endgültiger Beschluß gefaßt worden sei. Die Ministerin für Internationale Entwicklung Clare Short sagte heute im Unterhaus: "Großbritannien unterstützte das CWPRP bei der Sitzung des Weltbankrates im Juni 1999, weil es 1,7 Mio. der Ärmsten in China bedeutende Vorteile bringen wird... Es gab eine Kampagne gegen das Projekt. Wir erforschten es daher sorgfältig und gelangten zu der Überzeugung, daß es grundlegend von nützlicher Wirkung sein wird. Wir unterstützen auch den Beschluß des Rates, daß keine Gelder für die Qinghai Komponente des Projektes ausgegeben werden sollen, bis ein unabhängiges Untersuchungsteam eine Untersuchung ausgeführt hat, und es werden noch weitere ökologischen und soziale Studien vorgenommen."

Clare Short, Ministerin für Internationale Entwicklung, betonte wiederholt, daß die $40 Mio. Umsiedlungskomponente "C" des Projektes keine "Tibet-Angelegenheit" sei, obwohl der Distrikt Dulan (Tulan auf Tibetisch) innerhalb eines Gebietes in Qinghai liegt, das von den Chinesen als "Mongolische und Tibetische Autonome Präfektur Haixi" bezeichnet wird. In einer Rede vor dem Internationalen Entwicklungsausschuß des Unterhauses am 15. Dezember letzten Jahres sagte die Ministerin für Internationale Entwicklung: "Ich traf meine Entscheidung, - obwohl ich fürchte, wir könnten uns politisch damit blamieren, besonders weil die tibetische Lobby in den USA, in Hollywood usw. sehr stark ist - daß es ein gutes Projekt ist, und daß wir nicht dagegen stimmten sollten, nur um populär zu sein und weil es eine Modekampagne dagegen gibt". Die Ministerin sagte bei derselben Debatte, daß das von dem Projekt vorgesehene Gebiet in China "eigentlich nicht in Tibet liegt, obwohl dort einige Leute einer tibetischen Minderheit wohnen". Tatsächlich wurde Qinghai erst 1920 zu einer Provinz Chinas erklärt, wobei es den größten Teil des traditionellen tibetischen Amdo absorbierte.

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